Nachdem letzte Woche das Interview von Michael Dissieux
hochgeladen wurde, folgt ihm heute ein Autorenkollege, der ebenfalls für
den Luzifer Verlag schreibt. Vincent Voss war so freundlich und hat mir
meine Fragen beantwortet. Ich wünsche allen viel Spaß beim Interview.
Liebe Grüße, Viv
1.Sie haben während Ihres Studiums in verschiedenen Berufen
gearbeitet und dabei sicherlich unheimlich viele Eindrücke und
Erfahrungen gesammelt. Was aus dieser Zeit bzw., welche Tätigkeit hat
Sie besonders nachhaltig geprägt?
Das mag sich vielleicht komisch anhören, aber nach reiflicher
Überlegung glaube ich, dass es meine Zeit als Call-Center-Agent war.
Diese Zeit war der reinste, wirkliche Horror und erst nach meiner
Kündigung machte sich auch das körperliche Unbehagen an dieser Arbeit
bemerkbar. Komme ich in die Nähe meines ehemaligen Arbeitgebers
schüttelt es mich immer wieder und ich bin froh aus dieser Hölle
entkommen zu sein. Viele bleiben ewig dort, habe ich mir sagen lassen.
Letztlich hat aber mein jahrelanges Jobben und Hadern und Quälen zu dem
geführt, was ich heute mache, und das ist in Ordnung.
2.Ihr Roman 172,3 ist während eines eigenen Abnehmprogramms
entstanden und hat mir während des Lesens angenehme Schauer über den
Rücken laufen lassen. Darin wächst das Böse mit jedem verlorenen Kilo
der Hauptfigur und nimmt Gestalt an. Ist dieses Ding ein reines
Fantasieprodukt, oder hat es seinen Ursprung in einer alten Legende oder
einem Mythos?
Na ja, es ist kein expliziter Mythos, aber es gibt ja zahlreiche
Mythen zum fleischwerdenden Bösen durch untugendhaftes Verhalten.
Übergewicht scheint aber ein neuzeitliches Phänomen einiger
Gesellschaften zu sein, daher hoffe ich, dass diese Kopplung einzigartig
auf meinem Mist gewachsen ist. Das Fantasieprodukt war seinerzeit aber
schon so real, dass es mich selbst gegruselt hat. Ich habe daher auch
schnell wieder zugenommen, nicht, dass noch etwas Schlimmes passiert…
3.Sie sind ja eher im Horrorgenre zuhause. War das schon immer so, oder hat sich diese Vorliebe erst mit der Zeit entwickelt?
Als Jugendlicher habe ich so ziemlich alles gelesen, aber mein
erstes John-Sinclair-Heft betrachte ich immer noch als
richtungsweisendes Erlebnis, ebenso die Francis-Hörspiele. Lange Zeit
ist mir Horror in Buchform nur sporadisch begegnet und erst durch das
Horror-Forum ist eine alte Leidenschaft wieder mächtig entflammt und hat
sich zur Vorliebe entwickelt. Aber ich lese und sehe nicht nur
Horror-Sachen. Dafür aber sehe ich viele Horror-Sachen im Alltäglichen.
5.Glauben Sie an das Böse im spirituellen Sinne, oder halten
Sie „böse sein“ eher für eine menschliche Charaktereigenschaft, die ein
Stück weit (in unterschiedlich ausgeprägter Form) in jedem von uns
steckt?
Im Glauben bin ich nicht gefestigt, daher kann ich die Frage
weder bejahen, noch verneinen. Aber ich habe häufig die Beobachtung
gemacht, dass „ETWAS“ in der Luft liegt und sehr oft Tiere aus einem für
mich nicht wahrnehmbaren Grund anschlagen und unruhig werden. Mitunter
hat mich schon vor diesem Anzeichen ein ungutes Gefühl ergriffen, so
dass es mich antreibt, Türen und Fenster zu verriegeln. Bisher haben
diese Maßnahmen gereicht und ich hoffe, dass es so bleibt.
6.Haben Sie schon früher versucht, Roman-Manuskripte bei
Verlagen anzubieten oder war 172,3 der erste Versuch in dieser Richtung?
(unabhängig von den Anthologie- Veröffentlichungen)
Also vor 172,3 habe ich Faulfleisch geschrieben, der demnächst im Verlag Torsten Low erscheinen wird. Somit war es der zweite Versuch.
7.Sind Sie abergläubisch?
Jain.
8.Das Ebook, läuft langsam aber sicher den herkömmlichen
Büchern den Rang ab. Haben Sie auch einen Reader, oder haben Sie lieber
ein richtiges Buch in der Hand?
Ich habe keinen Reader, war aber letztes Weihnachten kurz davor, mir
einen zu wünschen. Bisher mag ich Bücher lieber, gehe aber nicht sorgsam
mit ihnen um. Ich weiß nicht, ob man einen Reader auch so quälen kann…
9.Wie gut finden Sie selbst, das was Sie schreiben? Haben Sie
manchmal Zweifel und wenn ja, wie räumen Sie die wieder aus dem Weg?
Puh! Das hängt schwer von der Tagesform ab. Es gibt Passagen, die
gefallen mir auch, wenn ich nicht so gut drauf bin, ich schätze, die
sind dann wohl ganz gut gelungen. Aber wenn man mit etwas Abstand sein
Geschriebenes liest, fallen einem, oder zumindest mir, immer wieder
Fehler ins Auge, Dinge, die man hätte besser machen können, das kann
einen schon nerven. Richtige Zweifel hatte ich noch nicht, in erster
Linie schreibe ich ja für mich, weil es mir Spaß macht, weil es raus
muss und die Leser mir bisher eher wohlgesonnen waren. Ich weiß nicht,
wie ich auf vernichtende Kritik von Außen reagieren würde. Ansonsten
lassen sich Zweifel ganz einfach aus dem Weg räumen, indem man einfach
weiterschreibt.
9.Es heißt ja für einen fleißigen Schriftsteller: kein Tag
ohne Zeile. Kommt es durch Ihren Alltag bedingt vor, dass Sie mal ein
paar Tage am Stück gar nicht schreiben können oder wollen?
Ich kann beruflich von Mitte Mai bis Mitte Oktober überhaupt
nicht schreiben. Nichts! In der Zeit branden dann Ideen ans
Schädelinnere und können nicht raus. Dafür ist die Zeit danach dann
intensiver. Übrigens finde ich auch nicht, dass man selbst als fleißiger
Autor jeden Tag schreiben muss.
10.Wenn Sie einen Nachmittag mit einer Person des aktuellen Weltgeschehens verbringen dürften, auf wen würde Ihre Wahl fallen?
Oh Mann, diese Frage hat mich wirklich sehr, sehr lange
beschäftigt. Ich würde ganz gerne einen Nachmittag mit einem
erfolgreichen Börsenspekulanten verbringen.
Das gesamte Lesewelt-Team bedankt sich herzlich bei
Vincent Voss und wünscht ihm noch viel Erfolg, Gesundheit und natürlich
die Gelegenheit den besagten Börsenspekulanten tatsächlich zu treffen.
;)
Karin, Tasha und Vivian
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen