Pünktlich zur Premiere seines zweiten Romans Schreie der Toten gibt es auch ein Interview mit dem Autor Michael Dissieux. Er
hat mir einige knifflige Fragen beantwortet und wird euch auch gerne
Rede und Antwort stehen, bei der Facebook Veranstaltung des Luzifer
Verlags, die anlässlich der Veröffentlichung stattfindet. Um zwanzig Uhr
geht es los.
Und nun kommen wir zum Interview:
1. Sie haben in Zusammenarbeit mit dem Luzifer Verlag ihren
vielgelobten Debutroman „Graues Land“ herausgebracht. Horror ist ja
allgemein recht spärlich in den Buchhandlungen vertreten, von
deutschsprachigen Autoren dieses Genres ganz zu schweigen. Glauben Sie,
dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird? Immerhin haben Sie ja
hinlänglich bewiesen, dass auch deutsche Autoren spannende Romane
schreiben können.
Ich glaube nicht, dass das Horrorgenre ein Schattendasein
fristet, lediglich deutschsprachige Autoren haben es auf diesem Sektor
schwer, da die Leserschaft all die Jahre zu sehr von amerikanischen
Schriftstellern verwöhnt worden ist. Man denke dabei nur an Brian Keene,
David Moody und natürlich Stephen King. Aber ich denke, dass sich
gerade in letzter Zeit viele gute und vielversprechende Autoren im
Bereich Horror oder Dark Fantasy einen Namen gemacht haben, wie zum
Beispiel Markus K. Korb, Andreas Gruber oder auch Markus Heitz. Das
Horrorgenre findet weit mehr Beachtung, als noch vor einigen Jahren, sei
es nun in Film- oder Buchform.
2. Das Schreiben betreiben Sie ja bisher nur nebenbei und
arbeiten noch in Ihrem Hauptberuf als Busfahrer. Bleibt Ihnen noch
Freizeit, die Sie für andere Aktivitäten nutzen können oder nimmt das
Schreiben mittlerweile zu viel Raum ein?
Neben dem Job und dem Schreiben habe ich auch noch eine
Lebensgefährtin, die natürlich auch einen Teil meiner Zeit für sich
beansprucht. Es ist nicht immer leicht, die wenige Zeit auf diese drei
Faktoren aufzuteilen, aber bisher habe ich das ganz gut gemeistert, auch
wenn das Schreiben dabei leider oft zu kurz kommt. Der Traum, mein
Hobby eines Tages zum Beruf zu machen, steht natürlich auf meiner
Wunschliste ganz oben. Aber, wie bereits erwähnt, als deutschsprachiger
Autor hat man es schwer, daher wird dieser Wunsch wohl so schnell nicht
zu erfüllen sein.
3. „Graues Land“ wurde beim Vincent Preis als bester Roman
nominiert und sie hatten die Ehre den dritten Rang zu erzielen. Was geht
einem in so einem Augenblick durch den Kopf?
Ganz ehrlich? Im Moment der Preisübergabe habe ich gar nichts
gedacht. Ich war wie betäubt, alles ist wie ein Traum an mir
vorbeigezogen. Erst Tage später, wenn man in Gedanken alles Revue
passieren lässt, merkt man erst, wie geil dieser Moment gewesen ist. Und
man ärgert sich, dass man keine besseren Worte bei der Dankesrede
gefunden hat, wie zum Beispiel meinem Verleger zu danken, der mit einem
neuen, unbekannten Autor ein großes Wagnis eingegangen ist, und
natürlich auch meiner Lebenspartnerin, die mein härtester Kritiker ist
und meine Geschichte erbarmungslos lektoriert hat.
4. „Schreie der Toten“ So nennt sich der
Nachfolgeroman von Graues Land. Wird es ein Wiedersehen mit liebgewonnen
Figuren geben, oder wird die Fortsetzung mit komplett neuen Charakteren
aufwarten? Immerhin ist das Schicksal von einigen noch unklar.
Zu viel verraten will ich natürlich nicht. Aber einige vertraute
Charaktere tauchen wieder auf, während man auch neue Personen
kennenlernt. Zum Inhalt sei so viel verraten, dass „Schreie der Toten“
nicht ganz so ruhig ablaufen wird wie „Graues Land“. Einige Leser haben
sich an der stillen Atmosphäre des Romanes gestört, also dachte ich mir,
dass ich in der Fortsetzung ein klein wenig mehr `Action´ einbauen
will, wobei ich aber nicht auf meine atmosphärischen Beschreibungen
sowie die Strukturierung meiner Charaktere verzichten wollte. Ich
persönlich lege auf diese Dinge sehr viel Wert, sowohl beim Lesen wie
auch beim Schreiben. Mein Motto in dieser Hinsicht lautet „Ich schreibe
so, wie ich es selbst gerne lesen würde“. Lasst Euch einfach
überraschen.
5. In ihrem Buch wird ähnlich wie in Robert Kirkmans
Comicbuch-Reihe „The Walking Dead“ nicht näher darauf eingegangen, warum
sich die Menschen zu diesen Monstern entwickeln. Werden Sie das
Geheimnis um die Shogotten, wie Harvey diese Wesen genannt hat,
irgendwann lüften oder bleibt das der Fantasie der Leser überlassen?
Das habe ich in „Graues Land“ absichtlich nicht näher erläutert.
Zum einen soll der Leser sich seine eigenen Gedanken machen, und zum
anderen erzählt ja Harvey die komplette Geschichte. Und Harvey weiß
selbst nicht, was genau geschehen ist, nur, was er im Fernsehen
mitbekommen hat. Und ich konnte nur das aufschreiben, was Harvey mir
verraten hat.
6. Sie sind ein bekennender Fan von H.P. Lovecraft und
Stephen King. Letzterer sagt Ihnen aber wohl nicht mehr ganz so zu, wie
Sie in einem anderen Interview erwähnt haben. Ist er Ihnen zu
kommerziell geworden oder hat sich Ihre Wahrnehmung auf Bücher und deren
Inhalte verändert?
Stephen King hat mich durch meine Jugend begleitet. Zu Anfang
habe ich sogar seinen Stil kopiert und hatte ihn zu meinem großen
Vorbild erkoren. Ich wollte eines Tages ein deutscher Stephen King sein.
Aber ich muss gestehen, dass ich seine Bücher im Laufe der Jahre immer
schlechter fand. Ob es nun an den Geschichten von King lag oder einfach
an meiner eigenen Entwicklung, sei dahingestellt. Aber seine neueren
Romane reichen an Klassiker wie „Shining“ oder „Es“ nicht mehr heran.
Ich hatte damit begonnen mich anderen Autoren zuzuwenden, entdeckte
Lovecraft, Clive Barker, Greg F. Gifune und die bereits erwähnten Brian
Keene und David Moody. Lovecraft hat natürlich einen ganz anderen Stil
wie King, der mich aber vom ersten Satz an fasziniert hat. Für mich ist
Lovecraft der unumstrittene König des Horrors. Auch Moody oder Keene
schreiben anders als King. Ihre Sprache ist direkter und schlichter, und
ich denke, auf ihre Art schaffen sie es, das Grauen ihrer Geschichten
sogar noch besser zu vermitteln wie Stephen King.
7. Männer oder Frauen. Wer schreibt die besseren Horrorromane?
Die Frage ist gemein, denn mit einem von beiden Parteien
verscherzt man es sich mit einer Antwort. Fakt ist, dass die Frauenquote
im Bereich Horror recht gering ist. Ich habe Susan Beth Pfeffer gelesen
und auch Roisin Fallon, dazu Astrid Pfister, eine ebenfalls
aufstrebende, junge Autorin. Alle drei haben mir sehr gut gefallen. Aber
die Mehrzahl unheimlicher Romane stammt nun einmal aus der Feder
männlicher Autoren. Zu sagen, wer bessere Romane schreibt, wäre
vermessen und ungerecht.
8. Sie waren dieses Jahr auf der Marburg Con und haben dort
auch ihre erste Lesung gehalten. Eine Erfahrung die sie gerne so bald
als möglich wiederholen möchten, oder hat Sie das Überwindung gekostet?
Es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, da ich eher der
zurückhaltende Typ bin, der sich gerne außerhalb des Lichtkreises
aufhält. Ich schreibe lieber, anstatt vorzulesen. Aber im Gewebe eines
Autors kommt man um Lesungen nun mal nicht herum, daher werden noch
weitere folgen. Vielleicht gewöhne ich mich auch irgendwann an den
Trubel. Noch kommt mir ohnehin alles wie ein großer Traum vor. Ich hoffe
nur, dass ich nicht so schnell aufwachen muss.
9. Lesen Sie privat ebenfalls nur Horror oder unternehmen Sie auch Ausflüge in andere Genres?
Es ist seltsam, dass Sie das gerade jetzt fragen, denn bis vor
Kurzem habe ich zum größten Teil Horror gelesen. Ab und zu lese ich
Dokumentationen und Augenzeugenberichte über die Judenverfolgung im
Dritten Reich, da mich das Thema sehr interessiert und ich dadurch auch
einige Geschichten zu dem Thema geschrieben habe. In letzter Zeit bin
ich dem Horror allerdings etwas untreu geworden, da ich die Romane von
Joe Lansdale für mich entdeckt habe. Lansdale schreibt keinen Horror,
sondern Geschichten vom Erwachsenwerden, von Gewalt und Diskriminierung
zu Zeiten der Rassentrennung. Er ist für mich der perfekte
Geschichtenerzähler. Man hat bei ihm stets das Gefühl mit ihm am
Lagerfeuer zu sitzen und seinen Geschichten zu lauschen. Aber zu 90 %
bleibe ich dem Horror treu, gerade jetzt, wo Größen dieses Genres wie
Bryan Smith oder Edward Lee den deutschen Markt erobern.
10. Wenn Sie einen Nachmittag mit einer Person aus dem aktuellen Weltgeschehen verbringen dürften, wer hätte da die Ehre?
Da fällt mir spontan meine Lebenspartnerin ein, da unsere Freizeit, besonders durch den Job als Busfahrer, oft zu kurz kommt.
Wenn es eine Berühmtheit sein sollte, würde ich den oben
genannten Joe Lansdale gerne einmal kennenlernen und ihn fragen, wie er
es schafft, so perfekt zu schreiben.
Das gesamte Lesewelt-Team bedankt sich für das tolle Interview.
Karin, Tasha und Vivian
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