Dienstag, 9. Oktober 2012

Ulrike Schweikert

Heute gibt es ein Interview auf das sich bestimmt schon viele freuen. Ulrike Schweikert hat mir einige Fragen beantwortet, worüber ich mich sehr freue. Ich wünsche allen viel Spaß!



1.Sie sind schon viele Jahre als Autorin aktiv und haben unzählige Bücher veröffentlicht. Was ist für Sie der aufwendigste Part während der Entstehung eines neuen Romans – mal ganz abgesehen vom Schreiben. Das Erstellen des Entwurfs oder die Recherche?

Die Recherche ist für jeden meiner Romane ein ganz wichtiger Teil und sehr zeitaufwändig. Je nachdem, um was für einen Roman es sich handelt, kann dies den größten Teil der Arbeitszeit ausmachen. Für ein neues historisches Thema nehme ich mir ein halbes Jahr rein für die Recherche Zeit, um an alle Orte zu reisen, die Spielorte anzusehen, Wege abzugehen und mit historischen Karten zu vergleichen. Dort sammle ich viele Eindrücke und Ideen für Szenen. Dann ist natürlich die Archivarbeit sehr wichtig und das Gespräch mit Experten, meist Historikern. Ich arbeite ganze Stapel von Büchern und Unterlagen durch, um mir den historischen Background zu schaffen, in dem dann meine – erfundenen oder real historischen – Figuren agieren. Doch selbst bei den sogenannten Fantasybüchern wie die Vampirserie „Die Erben der Nacht“ gibt es einen realen historischen Hintergrund und echte Ort, sodass ich auch hier monatelange Recherchen als Vorarbeit reinstecke, ehe ich das Szenenbuch aufstelle, anhand dessen ich dann den Rohtext schreibe.

2.Heutzutage werden Autoren genauso in Schubladen gesteckt, wie Schauspieler. Hat man sich mal in einem Genre etabliert, so ist es schwer sich freizuschwimmen und auch andere Wege zu beschreiten. Sie schaffen den Spagat, schreiben für unterschiedliche Zielgruppen und das sehr erfolgreich. Kommt mit dem wachsenden Erfolg die Freiheit schreiben zu dürfen, was einem gerade durch den Kopf geht, oder lassen Sie sich grundsätzlich nicht in ihrem Schaffen einengen?

Das mit den Schubladen ist ein echtes Problem. Damit bin ich früh konfrontiert worden. Meine ersten veröffentlichten Geschichten waren historische Romane. Als ich dann mit einem Exposé für einen Vampirkrimi kam, wollte der Verlag dies nicht unter meinem Namen verlegen, um das Publikum nicht zu verwirren. Also musste ich die ersten beiden Vampirkrimis „Der Duft des Blutes“ und „Feuer der Rache“ zuerst einmal unter einem Pseudonym (Rike Speemann) herausbringen. Später habe ich dann den Verlag gewechselt, da er mich zu sehr einengte. Die Philosophie bei Random House, wo nun meine meisten Bücher erscheinen, ist eine andere. Hier darf ich historische Romane schreiben, Jugendbücher und Fantasy. Ich komme mit meinen Ideen und reiche Exposés ein, und bisher hat der Verlag sie alle gekauft. Natürlich kommen Verlage auch mal mit eigenen Ideen, doch ich würde so etwas nur dann annehmen, wenn ich Lust auf das Thema habe und das Genre mir liegt. In die Geschichte selbst und die Textarbeit lasse ich mir nicht reinreden, was ich aber auch nur durchsetzen kann, solange ich mit meinen Büchern Erfolg habe. Die Verlage sehen genau hin, womit sich Geld verdienen lässt und womit nicht.

3.Sie beglücken Ihre Leserschaft mit vornehmlich historischen Romanen, während ihre schriftstellerischen Ausflüge in die Jetztzeit eher rar gesät sind. Was fasziniert Sie so sehr an der Vergangenheit?

Für mich sind Geschichten anderer Zeiten wie reisen in andere Länder. Es ist aufregend, sich in andere Gesellschaften hineinzudenken. Alles sah anders aus und funktionierte anders, es gab ein anderes Wissen und Vorstellungen, die uns fremd sind. Dem auf den Grund zu gehen und Details aus dem Alltagsleben früherer Zeiten zu erforschen und dem Leser nahezubringen, fasziniert mich.

4.Was immer besonders hervorgehoben wird, sind ihre detailgetreuen und historisch korrekten Schilderungen des Mittelalters in ihren Büchern. Besuchen Sie die Schauplätze persönlich und sprechen mit Experten der jeweiligen Zeitepoche?

Ja, das ist ganz wichtig. Die Experten geben mir Antworten und Materialien, mit denen ich mir innerhalb weniger Wochen oder Monate eine gute Basis erarbeiten kann. Rein anhand des Studiums von Quellen bräuchte ich dazu Jahre! Außerdem muss ich die Spielorte sehen, riechen, erfahren. Ich gehe die Wege ab, besuche die Orte und versetze mich gedanklich in die Geschichte. Dann beginnen meine Figuren zu leben und ich sehe die Szenen vor mir. Eigentlich muss ich Vieles dann nur noch aufschreiben.

5.Ein Buch wird von den Lesern immer unterschiedlich wahrgenommen. Was den einen zu Begeisterungsstürmen hinreißt, lässt den nächsten den Kopf schütteln. Wie geht man als Autor mit negativen Rezessionen um? (immer vorausgesetzt, dass sie auch sachlich formuliert sind)

Sachliche Kritik ist in Ordnung. Wenn ich was daraus lernen und es besser machen kann, super. Da habe ich nichts dagegen und nehme es mir gern zu Herzen. Aber leider wird bei Rezessionen meist sehr unsachlich geschrieben und es kommt vor, dass man beschimpft oder das Buch unsachlich schlecht gemacht wird. Jeder kann seine Meinung haben, bitte, aber manchen scheint es darum gar nicht zu gehen. Es gibt auch Neid und Missgunst in der Branche. Ich jedenfalls lese nicht mehr alles, was über meine Bücher geschrieben wird. Beleidigende Dinge bringen mich nicht weiter, aber sie lassen mich auch nicht kalt und ziehen mich runter. Man muss sich nicht alles antun. Anderseits ist es immer wieder schön, sich mit Lob und Begeisterung der Leser aufzubauen und sich selbst anzuspornen.

6.Wie lange schreiben Sie in der Regel an einem Roman?

Nach der Recherchezeit, für die ich mir maximal sechs Monate nehme, schreibe ich ein Szenenbuch, in dem das Gerüst der Handlung in einer Tabelle aufgeführt wird. Hier werden dann auch die historischen Begebenheiten mit den von mir ausgedachten verknüpft. Dann beginne ich – meist chronologisch – mit dem Rohtext. Zehn Seiten sind mein tägliches Pensum, sodass ich ungefähr drei Monate daran arbeite. Danach kommt die sprachliche Feinarbeit, bei der ich mir jeden Satz noch mal laut vorlese und daran feile, dass er schön klingt und einen guten Sprachfluss hat. Das dauert noch einmal bis zu drei Monaten, sodass nach maximal einem Jahr das fertige Manuskript zum Verlag kann, wo es sich dann mein Lektor genau ansieht.

7.Sie sind eine der wenigen deutschsprachigen Autorinnen, die in Deutschland Fuß gefasst haben, da die Verlage meist auf bereits bewährte und erfolgreiche Bücher aus dem Ausland zurückgreifen. Wie hoch schätzen Sie heute noch die Chancen eines ausstrebenden jungen Autors ein, der in deutscher Sprache spricht und schreibt? Setzt sich Talent auf Dauer wirklich durch, wenn man nur genügend Willen und Durchhaltekraft an den Tag legt?

Das ist ein sehr trauriges Thema. Zuallererst ist es ganz arg schwierig überhaupt bei einem Verlag reinzukommen. Das geht heutzutage nur über einen Literaturagenten, aber den zu finden ist auch nicht leicht. Dann braucht man einen möglichst renommierten Verlag, der das Buch so groß rausbringt, dass auch viele Buchhandlungen es bestellen und vorrätig haben, denn nur dann kann man sich eine Leserschaft erobern. Dass die Verkaufszahlen so groß werden, dass man dauerhaft davon leben kann, passiert leider nicht so häufig. Nur etwa 5% der deutschen Autoren gelingt das. Ich habe das Glück, seit zwölf Jahren das Schreiben als Hauptberuf ausüben zu können. Der Autor ist leider das kleinste Rädchen in der Verwertungskette und erhält pro Buch nur 5 – 10 % der Verkaufspreises. Sie können sich also ausrechnen, wie viele Bücher jährlich umgesetzt werden müssen. Und da die Konkurrenz aus dem Ausland so groß ist, ist es ein harter Kampf. Man braucht also das Glück einen Agenten und einen Verlag zu finden, die hinter einem stehen, Buchhändler, die die Bücher den Kunden schmackhaft machen und eine Leserschaft, die man nie enttäuschen darf. Ein schweres Geschäft. Ohne Talent, Wille und Durchhaltekraft geht es nicht, aber leider sind diese nur ein Teil für den Erfolg.

8.Der Büchermarkt wird von Neuerscheinungen überschwemmt. Vor allem Bücher bzw. Ebooks im Selbstverlag erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Was halten Sie von diesem Weg? Schadet es einem Autor wirklich, wie manche behaupten, oder ist das heutzutage durchaus legitim?
Legitim ist das, ja klar, doch ich glaube, für einen Newcomer ist es keine virlversprechende Möglichkeit, bekannt zu werden. Große Umsätze mit Ebooks und Selbstverlage haben vor allem die, die ihr Publikum schon erobert haben. Alle anderen haben es schwer, Leser zu fingen. Ich glaube, auch heute noch geht es erst einmal über die großen Verlage und die Buchhandlungen, die dann auch Ebooks als eine weitere Möglichkeit anbieten. So ganz allein sehe ich kaum eine Chance, sich durchzusetzen. Ich würde es jedenfalls nicht versuchen. Allerdings bieten meine Verlage meine neuen Bücher nun auch als Ebooks zusätzlich an.

9.Könnten Sie sich vorstellen, dass mal eines Ihrer Bücher verfilmt wird, oder stehen Sie so einer Idee eher mit gemischten Gefühlen gegenüber?

Verfilmungen sind toll, vor allem weil sie die Bücher bekannter machen und ein neues Publikum heranziehen. Ich habe einen Vertrag mit einer Produktionsfirma, die „Die Erben der Nacht“ ins Kino bringen will. Als erstes geht es um „Nosferas“ und ich hoffe, dass es da nächstes Jahr richtig losgeht. Ich bin sehr auf die Dreharbeiten gespannt. Natürlich muss man seine eigene Geschichte loslassen können und offen für eine neue Version sein, die dann ein eigenes Werk ist. Wer auf eine direkte Umsetzung hofft, der wird enttäuscht. Der Film hat seine eigenen Gesetze, und das ist auch gut so.

10.Wenn Sie einen Nachmittag mit einer Person aus dem aktuellen Weltgeschehen verbringen dürften, wer hätte die Ehre?

Wenn ich eine Person der großen Politik kennenlernen dürfte, würde ich Barack Obama wählen. Für mich ist er der sympathischste Politiker, der sich ehrlich bemüht, sein Land voranzubringen, der aber auch die schwerste Bürde trägt und mit unüberwindlichen Hindernissen kämpft.
Aus dem Showbusiness würde ich Sean Connery wählen. Er ist für mich der tollste Schauspieler, vor allem in seinen späten Rollen wie „Der Name der Rose“, ein Buch, das ich sehr liebe, oder „Die Wiege der Sonne“ und „The Rock“.

Das gesamte Leseweltteam bedankt sich recht herzlich für das tolle Interview!

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