Dienstag, 9. Oktober 2012

Sandra Henke

Hallo alle Miteinander,

ich freue mich, euch heute das Interview mit Sandra Henke präsentieren zu dürfen. Sie gehört mit zu den erfolgreichsten deutschen Autorinnen in Deutschland und schreibt vorwiegend erotische Geschichten mit Stil, Witz und einer gehörigen Portion Charme. Sie hat sich meinen Fragen gestellt und auf sehr sympathische und ausführliche Weise darauf geantwortet. Ich wünsche euch allen viel Spaß, bedanke mich noch mal ganz offiziell bei Sandra Henke und lass euch nun das Interview genießen…..


1. Du hast mittlerweile unzählige Bücher in diversen Verlagen veröffentlicht und bist dabei sehr erfinderisch und fantasievoll, wenn es um die Gestaltung der Storyline geht. Mal ist ein Krimi, der unser Blut in Wallung bringt, als nächstes verlieren wir uns in dominanten Rollenspielen oder erliegen dem herben Charme eines aufreizenden Gestaltwandlers. Gibt es eine Richtung, der du den Vorzug gibst, oder wachsen dir bei jedem Projekt deine Figuren dermaßen ans Herz, dass das Genre im Grunde unwichtig wird?

Meine Interessen sind vielfältig, daher genieße ich es in verschiedenen (Sub)Genres zu schreiben. Ich darf nicht nur sehr unterschiedliche Abenteuer mit meinen Figuren erleben, sondern die Abwechslung bringt auch immer wieder neuen Schwung ins Schreiben. Ich liebe Krimis, ich liebe Gestaltwandler und es macht auch mal Spaß, die Grenzen der Erotik gemeinsam mit meinen Lesern in meinen soft SM Romanen auszuloten. Warum soll ich mich für ein Subgenre entscheiden, wenn man mir die Chance bietet, in allen zu schreiben. ;-) 


2. Deine Bücher haben alle etwas gemeinsam: sie bestechen durch lustvolle Erotik und sinnliches Lesevergnügen. Es gibt aber leider immer noch genügend Menschen, die vorwurfsvoll die Augenbrauen heben und ganz empört tun, sobald das Wort Sex ins Spiel kommt, während gleichzeitig Thriller gelesen werden, in denen reihenweise Menschen abgeschlachtet werden. Woher kommt deiner Meinung nach diese moralische Diskrepanz und wie gehst du mit den Vorurteilen um, die der erotischen Literatur auch heute noch anhaften?

Du sprichst mir aus der Seele. Wie kann man über etwas Sinnliches, Lustvolles und durch und durch Positives wie Erotik die Nase rümpfen, aber Krimis und Thriller akzeptieren, bei denen das Blut nur so aus den Seiten tropft und die Figuren gefoltert, vergewaltigt und grausam ermordet werden? Ich kann das nicht nachvollziehen. Selbst wenn man erotischen Romanen nichts abgewinnen kann, sollte man doch das Genre, die Autoren und die Leser akzeptieren und nicht auf sie herunterschauen. Ich selbst bin eine große Befürworterin jeglicher Akzeptanz. Warum gibt es z.B. noch Rassendiskriminierung und Schwulenfeindlichkeit überall auf der Welt? Mir völlig unverständlich! Vorurteile gegenüber erotischer Literatur kommen zum einen daher, dass viele Kritiker nicht einmal einen Erotikroman gelesen haben und sich falsche Vorstellungen machen, und zum anderen sind sie immer Ausdruck von Prüderie.


3. Das Autorenleben ist ja bekanntlich ein hartes Los und man wird im Verlauf eines Schriftstellerlebens mit unzähligen Absagen konfrontiert. War es bei dir ähnlich, oder gehörst du zu den wenigen Glücklichen, die relativ schnell einen willigen Verlag gefunden haben? Und wie ging es danach weiter?

Ich hatte nie vor, „Karriere zu machen“ und bin nicht gezielt an den Beruf Autor/Schriftsteller herangegangen, sondern folgte einfach meiner Leidenschaft. Zuerst wollte ich nur schreiben, dann auch gelesen werden, beschäftigte mich automatisch mit dem Handwerk, dem kreativen und geschäftlichen Teil, und versuchte mich in verschiedenen Genres. Plötzlich gab es Leser, die gut fanden, was und wie ich schrieb, das beflügelt natürlich, und auf einmal entwickelte sich alles wie von selbst. Natürlich erhielt auch ich Absagen, aber parallel bekam ich auch immer Verträge, erst in kleinen Verlagen, wofür ich sehr dankbar bin, denn dort durfte ich erste Erfahrungen sammeln, mir erste Lorbeeren verdienen und das motivierte, am Ball zu bleiben, schließlich in größeren.  Man darf sich nicht entmutigen lassen und muss, was viele vergessen, hart, kritisch und immerfort an seinem Schreibstil arbeiten. Durchhaltevermögen und Fleiß sind noch wichtiger als Glück. 


4. Du machst einen sehr normalen und bodenständigen Eindruck und bist bei all dem Erfolg unheimlich nett und bescheiden geblieben. Wie geht man dann damit um, auf Lesungen, Buchmessen oder Conventions plötzlich mit haufenweise glühenden Fans zusammenzutreffen, die einen alle anschauen, als wäre man der Heilige Gral? Ist das nicht beängstigend, wenn man vielleicht am Abend vorher noch ganz normal die Spülmaschine ausgeräumt hat?

Danke für das Kompliment. :-) Eins der „Geheimnisse“ ist ganz einfach: Man darf nie den Fehler machen, sich selbst für den Heiligen Gral zu halten. ;-) Ich komme aus einer bodenständigen Familie und bemühe mich, nie die Bodenhaftung zu verlieren. Und mal ehrlich, wer bin ich denn schon? Ich habe weder die Welt gerettet, noch ein Heilmittel gegen Krebs gefunden. Ich schreibe „nur“ Unterhaltungsromane, bin dankbar für jeden Leser, der sein hart verdientes Geld für eins meiner Taschenbücher oder E-books ausgibt, und bin froh, nach einer Convention wieder die Spülmaschine auszuräumen, denn das erdet. Willkommen in der unglamourösen Welt des Alltags! *g* 


5. Dein neuer Roman „Flammenzungen“ kommt im September raus. Ein wirklich sehr ausgefallener Titel mit einem ansprechenden Cover. Wie viel Einfluss hat man als Autor auf solche Dinge und vor allen Dingen: was würdest du machen, wenn du beides zum Davonlaufen findest?

Das ist von Verlag zu Verlag und manchmal sogar von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Bei U-Line, ehemals Ubooks Verlag, habe ich das große Privileg vorher sagen zu dürfen, wie ich mir das Cover für einen neuen paranormal romance vorstelle und Agnieska Szuba versucht, meine Wünsche umzusetzen, was immer ganz toll wird. Von den anderen Verlagen bekommt man meistens nur einen, selten mehrere Covervorschläge zugeschickt. Sollte man mit diesem absolut nicht leben können, kann man das offen sagen und um einen zweiten Entwurf bitten. Ist man neu bei einem Verlag, ist es natürlich schwer, seine Wünsche durchzusetzen. Generell ist der Einfluss eines Autors auf das Cover nicht groß, nimmt aber zu, wenn man eine Agentur im Rücken hat, schon länger mit dem Verlag zusammenarbeitet oder erfolgreich ist.


6. Jeder Schriftsteller fängt mal an und verbessert sich – hoffentlich –  im Laufe der Zeit. Wenn du alte Sachen von dir liest, die irgendwo auf deiner Festplatte vermodern, schlägst du da die Hände über den Kopf zusammen und denkst dir „Oh Gott, das hab ich doch nicht wirklich geschrieben“ oder stehst du da mit amüsiertem Lächeln darüber?

Es gibt Autoren, die lesen ihren neu erschienenen Roman noch einmal durch, dazu gehöre ich nicht. Sicherlich werfe ich einen Blick rein, um zu sehen, wie mein Word-Dokument als gedrucktes Taschenbuch wirkt, und freue mich über das neue Buch! Aber da ich mit etwas Abstand zum Text immer etwas finde, das ich eventuell noch hätte anders schreiben können, zwinge ich mich dazu, ein Projekt abzuhaken, um mich nicht zu ärgern und um den Kopf für neue Romane frei zu haben.



7. Der heutige Buchmarkt wird ja förmlich überschwemmt mit Neuheiten. Was mir auffällt, seit ich mich mehr damit beschäftige, ist, dass bestimmte Bücher über die Maßen gehypt werden, um einen neuen Trend zum Leben zu erwecken. Den Inhalt und die Qualität will ich jetzt gar nicht werten, aber wie stehst du persönlich zu diesen gigantischen Werbemaschinerien, die ein Buch in die Bestsellerlisten katapultieren, indem man als ahnungsloser Leser gar keine Chance hat daran vorbeizugehen, weil ja alle darüber „reden“?

Als Autor bin ich neidisch ;-), denn jeder, der schreibt und veröffentlicht, wünscht sich, seine Bücher einem breiten Publikum vorzustellen und dazu ist Werbung unerlässlich. Die Leserin in mir greift nicht automatisch zu gehypten Romanen, sondern sucht sich ihre Lektüre nach ihrem persönlichen Lesegeschmack und nicht nach Werbung oder z.B. der Spiegelbestsellerliste aus. Was das Genre Erotik (aber auch paranormal romance) betrifft, ärgere ich mich nur, wenn - mal wieder - ein Erotikroman überall als „neuartig, noch nie da gewesen, aufsehenerregend“ angepriesen wird, dabei schreiben viele Autorenkollegen und ich schon seit Jahren über dieselben Themen.



8. Du musst doch mittlerweile sicher keine Manuskriptauszüge an die Verlage schicken, sondern „nur“ noch ein Exposé. Was machst du, wenn du mitten im Roman steckst und plötzlich erweisen sich die Figuren als äußerst widerspenstig und wollen ganz andere Wege gehen, als geplant. Darf man sich eine solche Flexibilität überhaupt erlauben, oder ist der von dir geplante Plot so mit dir verwachsen, dass du kein Problem hast, ihn beizubehalten?

Wenn ich ein Exposé schreibe, dann steht es! Manchmal ändere ich eine Szenefolge oder bringe Informationen an einer anderen Stelle, besonders was die Krimiplots angeht. Aber alles in allem gilt: What you see is what you get, was den Verlagen natürlich sehr entgegenkommt. Spontan fällt mir nur Craig Bellamy ein, der Held aus „Jenseits aller Tabus“, der ganz anders geworden ist als geplant. Und das war gut so! Er sollte anfänglich wie ein versnobter reicher Reeder wirken, sich aber selbstverständlich bald als sympathisch entpuppen. Craig jedoch war von der ersten Szene an „anders“. Britisch, obwohl er in Miami lebt, reich, wehrt sich aber, ein Teil des Jet Sets zu werden, verschroben auf eine liebenswürdige Art und Weise. Ich ließ ihm seinen Kopf und schaute, wohin das führte, ja, ich passte seinen Lebenslauf sogar seinen Eigenheiten an, z.B. durch eine britische Mutter, die aus Gardenrye stammte, der englischen Kleinstadt, in der „Loge der Lust“ spielt. Allerdings blieb die Handlung dieselbe, mein Exposé schrieb ich nicht für ihn um. Es stellte sich heraus, dass er perfekt war, wie er sich entwickelte, und ich ihn sofort ins Herz schloss. Manchmal muss ein Autor eben auf sein Bauchgefühl hören. :-)


9. Du schreibst unter deinem normalen Namen, soweit ich das weiß, während die meisten auf ein Pseudonym zurückgreifen. Wie kommt das?


Zum einen stehe ich dazu, Erotik zu schreiben, zudem ist das Schreiben an sich ein Teil von mir, es gehört zu mir wie der Spleen, manchmal gleichzeitig eine Tasse Kaffee und eine Tasse Tee zu zubereiten (Habe ich den Kaffee getrunken, ist der Tee auf die richtige Trinktemperatur runtergekühlt. *g*) Inzwischen habe ich geheiratet und „Sandra Henke“ ist ein gewachsenen Pseudonym, mit dem ich mich 100% identifizieren. Aber ich muss auch gestehen, dass ich nie damit gerechnet habe, erfolgreich zu sein oder gar hauptberuflich als Autorin zu arbeiten, wie es seit drei Jahren der Fall ist. Wie oben bereits erwähnt, bin ich einfach meiner Leidenschaft für das Fabulieren und das Erfinden von Geschichten gefolgt.



10. Und zum guten Schluss meine Lieblingsfrage, die ich jedem Autor stelle: Du darfst einen Nachmittag mit einer Person aus dem aktuellen Weltgeschehen verbringen. Wer hätte denn die Ehre?

Spontan fällt mir Kim Jong Un ein, der Machthaber Nordkoreas, von dem ich u.a. gerne wissen wollte, mit welchem Recht man in der heutigen Zeit noch immer ein ganzes Land vom Rest der Welt abschottet und ob er als junger Mann, noch dahintersteht. Vom syrischen Präsidenten Baschâr al-Assad wüsste ich gerne, wie man damit leben kann, verantwortlich für einen Bürgerkrieg zu sein, in dem über zehntausend Menschen aus der eigenen Bevölkerung getötet wurden. Positivere Gespräche würde ich gerne mit dem Dalai Lama führen und von ihm wissen, wie er sein inneres Gleichgewicht und seine Freude behält, denn er strahlt stets eine beneidenswert große Zufriedenheit und Gelassenheit aus.




Liebe Sandra, ich bedanke mich ganz herzlich im Namen des gesamten Lesewelt-Teams und wünsche dir noch viele wunderbare Ideen mit denen du deine Leser verzaubern kannst.

Herzlichst, Vivians Lesewelt

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